<< Nevermore/Die Akte Edgar Allan Poe – Stück von Christoph Maasch, 2009 (Auszug)   Von Möwen und Walen; oder Moby Dick – Stück von Dietmar Bertram und Christoph Maasch, 2008 (Auszug) >>
Glatteis – Stück von Christoph Maasch, 2008 (Auszug)
Ein Beitrag von Christoph Maasch, abgelegt unter Stücke am 17.Februar 2009
Personen:
Sie
Er
Auf der Bühne ist eine Bushaltestelle zu sehen
Auf der Bühne ist eine Bushaltestelle zu sehen. Daneben steht eine der Kisten mit Streusplit. Es ist früh morgens. Dunkel! Kalt! Der Bus wird nicht kommen, weil Glatteis gemeldet ist. SIE tritt auf, geht wie auf Eiern. Es ist wirklich höllisch glatt. Sie schaut auf den Fahrplan und auf die Uhr! Sie nimmt ein Handy aus der Tasche.
Sie: Ja, Marc, ich habe ein Problem! Der Bus kommt nicht!…Ja, ich weiß, aber sie haben Glatteis gemeldet. Ich bin extra eine halbe Stunde früher aufgestanden, was…sie haben es gestern in den Nachrichten gesagt…, weil sie es gestern in den Nachrichten gesagt haben. Aber der Bus vor einer halben Stunde ist auch nicht gekommen…Das habe ich mein lieber Marc,…was heißt?…Du bist schon im Büro, wieso bist Du schon im Büro?…Du hast da übernachtet?…Durchgearbeitet? … Durchgearbeitet!…Ja, ich weiß!…Marc, ich bin Deine Teamleiterin!…klar wird Mike sauer sein, wenn ich nicht da bin…sei nicht hysterisch…doch bist Du, es sind noch 1 1/2 Stunden…nein, ich bin nicht zuhause…was geht dich das an?…nein, ich war auch nicht zuhause,…das geht Dich nichts an…sag allen ich bin unterwegs!…spätestens um acht bin ich da…und Marc, wenn Du irgendwas von dem weitertrascht, was Du gehört hast, oder etwas aus dem schließt, was Du gehört hast und es dann weitertratscht, dann bist Du gefeuert…(legt auf) Scheiße! Schaut wieder auf den Fahrplan und auf die Uhr Scheiße! Wählt eine Nummer mit dem Handy Ja, Guten Morgen! Ich hätte gerne einen Wagen in die, Moment, wie heißt das hier, die…was…was heißt sie können keinen Wagen…Glatteis…da. Sie riskieren da nichts?…was heißt, nicht mal die Räumfahrzeuge…hallo…hallo…hallo! Scheiße! Scheiße! SCHEIßE! Sie will zum Fahrplan gehen, läßt es. Sie will auf die Uhr sehen läßt es. Sie wählt eine Nummer! Mo? Ja…Mo? Ja, hier bin ich! Ja, kannst Du mir bitte Marc geben?…Kaffee holen?…ich weiß, dass er die ganze…wieso bist Du eigentlich schon…Du auch?…die ganze Nacht mit Marc…achja, mit Marc,…mit Mike?…das kann nicht…achso Mieke! Was Mieke?…die Praktikantin?…die Praktikantin war die ganze Nacht da?…Ja, ich bin auch gleich da!… macht das Handy aus Ziege!
Sie schaut auf den Fahrplan und wieder auf die Uhr! Grollt vor sich hin. Ein Mann kommt auf die Bühne. Er setzt vorsichtig einen Fuß vor den anderen, den Blick abwechselnd auf die Frau und den Weg vor sich geheftet. Er schaut auf den Fahrplan, sieht auf die Uhr! Schaut ob der Bus kommt, schaut die Frau an! Schaut in einen noch dunklen Schneehimmel! Schaut die Frau an, lange! Die Frau bemerkt den Mann zunächst nicht. Der Mann schaut noch einmal nach dem Bus auf den Fahrplan, auf die Uhr und dann wieder lange auf die Frau. Die Frau bemerkt es, ignoriert es jetzt aber.
Er: Mistwetter!
Pause
Er: Man möchte gar keinen Fuß vor die Tür setzen, ganz zu schweigen davon, dass man es kaum kann.
Sie: Ähm…
Er: Hatten sie es weit bis hierher?
Sie: …
Er: Nun, ich meine, ich habe fünf Minuten über die Straße gebraucht…und bin gelaufen wie auf Eiern…Ja…
Pause
Er: Von da drüben bin ich gekommen. Aus dem „Waldschlößchen”. Hotel sagen sie dazu, wohl eher eine Penison. „Waldschlößchen”. Dabei ist es noch Vorstadt. Urbaner Dschungel, sozusagen. Aber nirgendwo einen Wald! Tschuldigung!
Sie: …
Er: Ist denn der sechs Uhr dreißig schon durch?
Sie: …
Er: Ich langweile Sie, nicht wahr!…Ich plappere sehr viel, das sagen viele. Immer rede ich und komme nicht auf den Punkt!…Aber ich bin auch etwas nervös…sowas passiert einem nicht oft…es ist faszinierend nicht wahr…? Man stellt es sich immer nur vor…
Pause
Sie: Also…
Er: Wie gesagt, man stellt es sich immer nur vor und dann passiert es…unglaublich…
Sie: Wissen Sie…
Er: Es ist so einfach, wenn der Moment in berückender Klarheit vor einem erscheint. Es ist alles so realistisch.
Sie: Kennen wir uns irgendwo her?
Das Telefon klingelt.
Er: Wie sag ich es am besten? Vielleicht…
Sie: Vielleicht sagen Sie’s am besten nicht.
Er: Ich würde gern mit Ihnen schlafen.
Ihr Telefon klingelt
Sie: Was?…Ja, ich bins, wer soll sonst dran sein!…Marc,…wieso läufst Du einfach weg…ja, mir ist durchaus bewußt, dass Du die ganze Nacht….Marc, was ist wenn…ich weiß nicht, ob ihr es im Griff habt, ich bin nicht da!…was heißt beleidigt…ich muß aufhören…nein ich…ja, bis gleich. Was haben Sie gesagt?