Glatteis – Stück von Christoph Maasch, 2008 (Auszug) >>
Nevermore/Die Akte Edgar Allan Poe – Stück von Christoph Maasch, 2009 (Auszug)
Ein Beitrag von Christoph Maasch, abgelegt unter Stücke am 17.Februar 2009
Erstes Bild – Ein Traum im Traume / Die Ärzte
Chor
Wo die Welle, weiß von Gischt
Um den Brandungsfelsen zischt,
Steh ich, und vom goldnen Sand
Halt ich Körner in der Hand.
Wenige! Doch selbst diese, ach!
Gleiten in die Flut gemach,
und ich weine Ihnen nach.
Oh Gott! wie halt ich Sie in Haft,
Daß nicht alle mir entrafft!
Oh Gott! Kann ich nicht eins der Flut
Entziehn in meine sich’re Hut
Ist alles, was wir kaum
Zu eigen nannten, Traum im Traum?
Chor: Poe! Poe! Poe!
Poe: Wer …?
Chor: Edgar! Allan! Poe!
Poe: Wo bin ich?
Stimme 2: In Sicherheit!
Mann 1: Sind das seine Sachen?
Mann 2: Nein, jemand muß seine gestohlen und ihm die Lumpen übergeworfen haben.
Frau 1: Und das ist wirklich Edgar Poe?
Mann 1: Der Barkeeper vom „Cooth and Seargent” hat mich durch einen Boten rufen lassen. Edgar Poe sei bei ihm und hätte sich nicht mehr unter Kontrolle.
Poe: Wer …?
Stimme 2: Ja?
Stimme 3: Bitte!
Stimme 1: Fragen Sie, Sir!
Poe: Wer sind Sie? Wo bin ich hier?
Mann 2: Ist das schon öfter passiert?
Mann 1: Pro Quartal mindestens zweimal. Er trinkt. Nicht immer, aber wenn, dann mit der gleichen Besessenheit mit der er schreibt. Heute allerdings war er wohl in Hochform. Er hat vor den Huren und Dockarbeitern „Die Glocken” vorgetragen.
Frau 1: Die Glocken?
Mann 1: Ein Gedicht von Master Poe. „Und schreien und schreien und schreien
Einen gellenden Chor, Der Nacht ins Ohr, Ohne Takt.”
Poe schreit
Mann 1: Sehr schön. Eines seiner besseren aber kein Vergleich zu seiner Prosa. Das Publikum machte Gesichter, als würden Sie einem Vortrag in Griechisch lauschen. Trotzdem, sie mögen ihn. Es ist wohl die Art seines Vortrags. Der Barkeeper sagte, es war ein wenig wie die Krönung des Quasimodo.
Stimme 3: Können Sie mich verstehen?
Stimme 2: Edgar, was ist passiert? Erinnern Sie sich?
Poe: Ich weiß nicht. Sind sie weg?
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Stimme 1: Wer?
Stimme 2: Wer?
Stimme 3: Wer?
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Poe: Mir ist kalt…
Mann 2: Wie absonderlich!
Mann 1: Das können Sie annehmen. Ich wollte ihn zum Redakteur meiner Zeitschrift machen, aber ich kann niemandem Vertrauen schenken, der schon vor dem Frühstück Alkohol trinkt.
Stimme 3: Edgar, bleiben Sie wach. Schlafen Sie nicht.
Stimme 2: Sie träumen sonst.
Poe: Träumen…?
Frau 1: Großer Gott? Sehen Sie, er will etwas sagen.
Poe: Reynolds!
Frau: Reynolds?
Mann 1: Ja, er hat Reynolds gesagt!
Mann 2: Was mag das bedeuten?
Mann 1: Keine Ahnung. Er phantasiert!
Frau 1: Der arme Mann.
Mann 2: Lassen wir ihn schlafen. Die Schwester kommt gleich. Was ist mit Ihnen?
Mann 1: Ich brauch jetzt erstmal nen Schnaps.
Frau 1: Haben Sie Brandy?
Mann 2: Gewiss, Madam, was Sie wollen.
Frau 1: Tragen Sie mir das Gedicht vor?
Mann 1: Gern, wenn ich es finde.
Mann 2: Wer ist eigentlich Quasimodo?
Mann 1: Es handelt bei Quasimodo um eine Romanfigur, die … Wissen Sie, er ist Franzose, das soll genügen.
Frau 1: Was sind Sie doch so gebildet.
Zweites Bild – Der Zug
Ende September / Anfang Oktober 1849. Das Zugabteil eines Zuges vom Susquehenna River zurück nach Baltimore.
Mann: Darf ich mich zu Ihnen setzen?
Poe: Gewiß!
Mann: Sie sollten verdammt noch mal eine Brücke bauen. Dann haben diese Unannehmlichkeiten endlich ein Ende. Die Fähre über den Susquehenna ist außer Betrieb wegen Sturm. Und jetzt fahren wir unverrichteter Dinge wieder zurück, weil es dort nicht mal ein Quartier gibt. Skandalös dieser Zustand, finden Sie nicht? Vom Geld mal ganz abgesehen.
Poe: Verzeihung, Sir. Ich war in Gedanken.
Mann: Aber was rege ich mich auf! So ist das nunmal Die Natur zeigt uns unsere Grenzen. Beruhigend nicht wahr? Zu wissen, daß der Mensch doch klein ist. Der Mensch ist klein.
Poe: Nach außen.
Mann: Wie soll ich das verstehen, Sir?
Poe: Nach außen, Sir, mag der Mensch klein sein, und die Natur mag ihm seine Grenzen zeigen, doch nach innen gewandt ist der Mensch eine grenzenlose Unendlichkeit.
Mann: Erstaunlich, ganz erstaunlich! Sir? Ein Drink?
Poe: Nein danke, Sir!
Mann: Oh, Sie sind Quäker, Amish, sonstwas?
Poe: Keineswegs. Es handelt sich nur um eine vorübergehende Abstinenz!
Mann: Die Lust am Verzicht sozusagen!
Poe: Sozusagen.
Mann: Gestatten Smith!
Poe: Erstaunlich!
Mann: Was?
Poe: Ein Bekannter von mir hört auch auf diesen Namen.
Mann: Was Sie nicht sagen?
Poe: Haben Sie einen Bruder in Baltimore?
Mann: Nein, eine Schwester in Boston: Eleonore!