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Rezension Spaßgewalt 2 – Vielleicht sind wir einfach so!? – FAZ – 16.03.2012 von Eva Maria Magel
Ein Beitrag von Christoph Maasch, abgelegt unter Allgemeines, Presse am 14.August 2012
Experiment gelungen
“Spaßgewalt” im Frankfurter Theater Landungsbrücken
“Einfach” ist es nicht gerade. Nicht mit dem Spaß, nicht mit der Gewalt. Mit den Menschen ohnehin nicht. “Vielleicht sind wir einfach so ?!” – die beinahe hilflose Frage oder trotzige Behauptung versucht “Spaßgewalt 2″ im Frankfurter Theater Landungsbrücken auszuloten.
Der Theaterabend, Fortsetzung eines Schülerprojekts der Gruppe Paradiesmedial zu Medien und Jugendgewalt, ist eine Collage, die nicht bei der Jugend stehenbleibt, sondern versucht, das Ganze in den Blick zu nehmen: Welche Rolle spielt Gewalt in unserer Gesellschaft, in der es die längste Zeit keinen Krieg mehr gab, die aber Horrorfilme und Gewaltspiele am Computer konsumiert und Gewalt grundsätzlich nicht ablehnt – wenn sie etwa in Guantánamo stattfindet. “Waterboarden für den Frieden” heißt es einmal zynisch in der Szenencollage, die Dietmar Bertram, Lisa Bröcker, Malwina Hartmann, Sebastian Huther, Linus König, Anne-Marie Korst, Christoph Maasch, Katharina Veciana und Steffen Wittiber unter der Leitung von Christoph Maasch erarbeitet haben. Sie machen es vor, das Waterboarden, und legen vorsorglich einen Warnhinweis auf jeden Sitzplatz der Landungsbrücken: “Achtung!!! Waterboarding ist Folter. Daher darf es keinesfalls angewendet oder ausprobiert werden.”
Nicht nur an dieser Stelle möchte man lieber nicht hinschauen und tut es doch – damit ist schon ein Teil der Demonstration gelungen, in die sich die neun Akteure als Experimentatoren mit erheblichem physischem Aufwand werfen. Sie werden grundsätzlich, sie haben, das zeigt nicht nur die Literaturliste auf dem Programmzettel, gemeinsam eine Menge gelesen. Über Ungleichheit zwischen Menschen, über Gerechtigkeit und Aggression im Tierreich. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb traut sich die nur knapp einstündige, von viel lauter Musik begleitete Inszenierung auch, die Protagonisten jugendbewegte Diskussionsrunden nachstellen zu lassen: Was, wenn die Gewalt zum Menschsein gehört?
Das ist ebenso schlicht wie die Versatzstücke aus Horrorfilmen aus längst salonfähig gewordener Pornographie und Prügelszenen und funktioniert gerade deshalb so gut. Ein Rap-Song des Offenbachers Capo Azzlack, den im Internet mehrere zehntausend Nutzer angehört haben, wird chorisch rezitiert, als sei er von Sophokles, und enthüllt erst so, bisweilen bis in Komik kippend, seine ganze primitive Gewaltverherrlichung – das Werk des hiesigen Jungrappers heißt “Fick den Richter”, das Video spielt auf der Konstablerwache. Ebenso beiläufig aber unterhalten sich zwei Mädchen im Bunny-Kostüm und ihr Text ist Gryphius’ “Thränen des Vaterlands”, oder es taucht die Brandrede aus Shakespeares “Heinrich V.” auf. “Spaßgewalt” ist ein schlichter und doch ambitionierter Lauf durch große Fragen und die Weltliteratur, der die Fragen offenlässt und nie aufgesetzt oder oberlehrerhaft scheint. Genau deshalb wirkt er bis zum Ende, das den Saal, samt den Zuschauern, zum Tanzen bringt: So kann das gehen mit einem Jugendstück über Gewalt.
EVA-MARIA MAGEL
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