<< Glatteis – Stück von Christoph Maasch, 2008 (Auszug)  
Von Möwen und Walen; oder Moby Dick – Stück von Dietmar Bertram und Christoph Maasch, 2008 (Auszug)
Ein Beitrag von Christoph Maasch, abgelegt unter Stücke am 17.Februar 2009
Uraufführung in den Mainzer Kammerspielen am 06.05.2008.
Personen:
Hermann
Anton
Eine leere Bühne
Eine leere Bühne. Arbeitslicht.
Hermann kommt jetzt auf die Bühne. Er sucht Anton, der grade mit einer Bierdose in der Hand am Bühneneingang mit einer Dramaturgin flirtet und sich deshalb ein paar Minuten verspätet.
Nach einer Pause und längerem Umsehen.
Hermann: Arschloch.
Pause. Hermann holt ein Handy aus der Tasche und drückt die Kurzwahltaste. Er wartet.
Hermann: Irina?! Hier ist Papa! Bist Du zuhause?! Äh, wohl nicht! Also hier spricht Dein Vater. Ich weiß, ich hab schon ein paar Mal angerufen und wahrscheinlich bist Du einfach sehr beschäftigt und hast keine Zeit oder im Urlaub und nein, das Semester läuft ja noch vielleicht, vielleicht, hast Du Prüfungen oder machst Schulaufgaben, kann ja passieren, dass Du mich da…naja ich würde mich auf jeden Fall freuen, wenn Du muss ja nicht gleich aber vielleicht ich denk an Dich und sag Mascha liebe Grüße machs gut.
Hermann legt auf und sieht sich um, geht auf der Bühne herum
Hermann: Wenn ich den in die Finger kriege…Der kann was erleben…zu spät…seit einem Monat hier…immer zehn Minuten…Pünktlich 10 Minuten zu spät aber eben nicht pünktlich…als wenn cum tempore heißen würde: Komm zu spät zur Arbeit…aber studiert haben…studiert…jetzt weiß er zum ersten Mal in seinem Leben warum er zwei Hände hat… und dann auch noch zwei linke…
Hermann geht ab. Anton kommt auf die Bühne und hat gute Laune. Anton beginnt stumm die Requisiten zu holen darunter auch eine Möwenattrappe. Während er weiter arbeitet sieht er wieder und wieder zurück zur Möwenattrappe und geht dann entschlossen auf sie zu, nimmt sie wie den „Hamletschädel” zur Hand und beginnt zu sprechen.
Anton: …im selben Augenblick wurden ein roter Arm und ein Hammer backbords an der Wasseroberfläche sichtbar, der sich alle Mühe gab, die Flagge fester und fester an den Mast zu nageln. Eine vom Himmel kommende Möwe, die höhnischerweise dem untergehenden Hauptmast von seiner natürlichen Heimat unter den Sternen nach unten gefolgt war, hackte auf die Flagge ein und belästigte dort Taschtego. Dieser Vogel schlug nun mit seiner breiten, flatternden Schwingen zwischen den Hammer und das Holz. Vielleicht spürte der untergetauchte Wilde darunter zur gleichen Zeit den ätherischen Schauer, und so hielt er denn in der Umklammerung des Todes seinen Hammer mit eingefrorener Faust fest. Der Vogel des Himmels stieß mit erzengelhaften Rufen und seinem majestätischen Schnabel nach oben, wobei er mit seiner ganzen Gestalt in der Flagge Ahabs eingeschlossen und gefangen war. So ging er denn mit dem Schiff unter, das wie Satan nicht zur Hölle sinken wollte, ohne das es ein lebendes Stück Himmel mit in die Tiefe gerissen und damit sein Haupt gekrönt hätte. Dann stürzte alles ein und das große Leichentuch des Meeres rollte weiter, wie es schon vor fünftausend Jahren gerollt. Das Stück ist aus.
Hermann ist unterdessen hereingekommen und hört stumm und erstaunt zu.
Anton reißt die Dose Bier auf und trinkt einen Schluck. Hermann hat jetzt echt einen Grund.
Hermann: Bist Du verrückt Mensch. Du kannst doch nicht auf der Bühne saufen.
Anton: Ich hab doch nur…
Hermann: Das darf doch wohl nicht wahr sein. Hast Du Deinen Arbeitsvertrag nicht gelesen? Du darfst während der Arbeit unter KEINEN UMSTÄNDEN alkoholische Getränke zu Dir nehmen.
Anton: Es ist doch nur…
Hermann: Wenn ich das noch mal sehe, werd ich Dich bei Deiner Sachbearbeiterin melden und dann kannst Du sehen wo Du bleibst, Student.
Anton: Hör auf, so mit mir zu reden. Ich hab ne Ausbildung, wie Du.
Hermann: Aber keinen Job.
Anton: Sehr witzig.
Hermann: Gib mir die Dose oder Du kannst nach Hause gehen. Jetzt!
Anton: Ja, wir wissen jetzt wer der Chef ist. Bitte! Schon mal was von Mobbing gehört?
Hermann: Mobbing, Du redest von Mobbing! Der Studi wird direkt von der Uni zum Hartzi und fängt auch gleich das Saufen an. Geklonter Klischeearbeitsloser. Einer wie der Andere. Kein Wunder, dass das Land auf den Hund kommt. Und wo landen sie? Am Theater! Wahrscheinlich lassen sie bald Kriminelle Praktika machen. Müssen ja integriert werden…
Anton: Du hast Probleme mit Arbeitslosen! Du hast Probleme mit Ex-Knackis! Wahrscheinlich sind auch die Ausländer falsch bei Dir. Wählst Du die Republikaner? Gehörst Du zur vom Leben enttäuschten dumpfen Masse und suchst die Schuld der eigenen Unfähigkeit immer bei den Andern?
Hermann: Reg Dich ab, Jungchen. Hol die Requisiten…aber kehr vorher die Bühne ab. Ich bin gleich wieder da. (von der Hinterbühne) Auch die Staubmäuse in den Ecken, klar?
Anton: Arschloch.
Hermann: (von der Hinterbühne) Ich hab das gehört.
Anton: Das ist nicht in Ordnung, was Du hier machst.
Hermann kommt zurück
Hermann: Wer hat Dir erlaubt mich zu duzen?
Anton: Du! Wir duzen uns seit einem Monat!
Hermann: Das hab ich jetzt davon! Ich biete Dir das „Du” an und Du nennst mich Arschloch. Sauber.
Anton: Hör mal, ich finde…
Hermann: Die Staubmäuse!