Kafkas Humor und kühle Präzision szenisch belebt
Inszenierte Lesung für zwei Schauspieler im Offenbacher t-raum
Gastpremiere
der szenischen Lesung "Kafka! Kafka!" im Offenbacher t-raum:
Zwei seltsame Herren treten auf; der eine laut und aufgebracht, der
andere ganz ruhig, taxierend. Sie stecken in Anzügen, die etwas
zu groß geraten sind, die Schuhe sind abgewetzt, der jüngere
trägt ein zerknittertes Oberhemd. Sie rücken Stühle
zurecht, spielen aus einem Kassettenrekorder seltsame Geräusche
ab und fixieren ihr Publikum auf irritierende Weise. Abwechselnd oder
in verteilten Rollen lesen sie Texte von Franz Kafka. Manche Passagen
sprechen sie frei.
Während
in der Fachwelt gerade ein Streit über die Notwendigkeit einer
weiteren, mit öffentlichen Geldern finanzierten historisch-kritischen
Kafka-Ausgabe entbrannt ist, erwecken die am Mainzer Kammerspiel tätigen
Schauspieler Christoph Maasch und Harald Preis Kafkas Erzählungen
auf der Bühne eindrucksvoll zum Leben. In Eigenregie haben sie
ein Programm aus insgesamt zehn längeren und kürzeren Geschichten
inszeniert.
Die
Auswahl wirft einen vielseitigen Blick auf den Autor, der auch ungewohnt
Komisches zu bieten hat. Nach dem kryptischen "Schweigen der
Sirenen" und einer absurden Geschichte über "Alltägliche
Verwirrung" liest Harald Preis "Blumfeld, ein alternder
Junggeselle". Darin bekommt es der Titelheld nach Betreten seiner
Mansardenwohnung mit zwei springenden Bällen zu tun. Die Unternehmungen,
die der verstiegen grübelnde Junggeselle anstellt, um sie wieder
loszuwerden, sind absurd und mehrdeutig. Die Stimme des Schauspielers
ist dabei ebenso rauschhaft wie der an eine Traumsequenz erinnernde
Text.
Der
zweite Teil des Abends offenbart, zu welch sadistischen Fantasien
Kafka in der Lage war. Die kühle Beschreibung der legitimierten
Grausamkeit "In der Strafkolonie" ist erschütternd.
Bis ins Detail schildert der Autor die Vorgehensweise einer Folterung
und entwirft einen Dialog zwischen dem Ausführenden und einem
eher zufällig in das Geschehen einbezogenen Reisenden. Die Charaktere
werden samt ihrer Überzeugungen säuberlich seziert.
Franz Kafka gilt als einer der wichtigsten Impulsgeber der Weltliteratur
des 20. Jahrhunderts. Jedoch wären die öffentlichen Mittel
für eine Neuausgabe besser in ein Theaterprojekt wie dieses investiert,
initiiert von überzeugenden Vollblut-Mimen, die seine Texte auf
wahrlich anschauliche und aufwühlende Weise "unters Volk"
bringen.
ANKE
STEINFADT